Es bleibt skorpionisch. Ich war gestern wieder im Museum ... Berlin hat derer ja genug. Es gab Vodou, eine kleine Sonderschau in Dahlem. Zu sehen sind etwa 350 Artefakte aus Haiti.
Man ahnte es ja bereits beim Blick auf die Plakate und so fühlte es sich beim Besuch auch an: Das ist keine Folklore-Sammlung. Es werden rituelle Objekte ausgestellt, die zum Teil auch immer noch üppigst aufgeladen erscheinen. Ich bin noch ganz gefangen von den so unterschiedlichen, vielfältigen Eindrücken und Gefühlen, die diese Objekte transportieren oder auslösen. Objektive Backgroundinfo und ein schöner Foto-Rundgang finden sich hier .
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man zwei Arten von Vodou-Ritualen unterscheiden. Die einen sind mehr oder weniger öffentlich, Gäste willkommen - sozusagen die Tageslicht-Variante. Dann gibt es aber auch geheimen Riten. Im Ursprung praktiziert von kleinen Gruppen, die sich im Kampf gegen die Unterdrückung in der Sklavenzeit zusammen gefunden haben. Eine der heute noch existenten Geheimgesellschaften ist der Bizango. Ein Interviewpartner nannte sie die nächtlichen Kämpfer des Vodou. Und dort passiert wohl das, was wir als schwarzmagisch bezeichnen würden.
Inhaltlich wie formal sind die Vodou-Gegenstände eine wilde Mischung afrikanischer und abendländischer Traditionen. Neben Naturmaterialien, Knochen, Schädeln werden Stoffe, Glasperlen, Pailletten verarbeitet. Ich habe Ken + Barbie ebenso entdeckt, wie einen eingebauten Plastikdinosauerier. Das Bild einer Schwarzen Madonna steht neben Schlangenskulpturen, Kerzen und Spiegeln. Bei den dargestellten Geistern (lwa) sieht man ganz urprüngliche Figuren wie den Großen Baumgeist, die schmuckliebende Freda-Venus, den Großvater im Lehnstuhl, den wilde, aber guten Kämpfer, Sirenen, Madonnen, einen Fischgott. Alles, was hilft, geht da wohl.
Und dann gibt es diese wirklich gruseligen, lebensgroßen schwarzen Bizango-Figuren. Die übertreffen alles, was man so in albernen Filmen gesehen hat. (Ich bin nicht mal ganz in den Raum hineingegangen - man weiß ja nie, was man sich da so einfängt mit Neptun-Mond in Skorpion.) Heftig, heftig. Auch die riesigen Spiegel im letzten Raum, die als Tore zur Geisterwelt fungieren, sind mächtig mächtig - da muss man nicht zu lange hineinblicken. Bei der Nachlese heute fand ich gar eine Stimme, die explizit vor dem Besuch von Ausstellungen mit Bizango-Objekten warnt.
Meiner Wahrnehmung nach geht es wohl darum, die Geister zu ehren. Auch den Geistern der "anderen" Seite Raum zu geben oder mit ihnen umzugehen. Und wohl auch den Umgang mit der anderen Seite von einem selber. Alle Dinge haben eben auch eine Rückseite, ohne Licht kein Schatten. Die christliche Variante, all die nicht so einfachen Seiten auszublenden oder nach außen zu projezieren, ist ja nun wahrlich keine Lösung.
Wie auch immer. Macht Euch selbst ein Bild. Spannend auf jeden Fall und auch einen zweiten Besuch wert. Begleitend zu der Ausstellung gibt es eine Reihe von informativen kleinen Filmchen mit Kurz-Dokus und Interviews. Noch bis zum 24.10.2010
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